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Rückblick Akademie 2012

Montag: Jochen Gleditsch

Arzt sein – mit allem, was dazugehört

Impressionen von Florian Faff / Felix Petersen

Der erste Eindruck…

Flo: „Das erste Mal ein „Bild“ machen konnte ich mir auf einem Foto von Jochen im MuM-Flyer, wo die Dozenten für die Akademie vorgestellt wurden. Da waren lauter Bilder von seriös dreinschauenden, kompetent und engagiert wirkenden Dozenten, alles schon sehr viel versprechend. Aber dazwischen kam plötzlich das Foto von Jochen, und das war einfach nur ein WOW!

Diese Lebensfreude und dieser jugendliche Enthusiasmus haben mir sofort imponiert, vor allem verbunden mit seinem eher höheren Alter wollte ich unbedingt sehen, was dahinter steckt.

Als ich ihn dann das erste Mal live auf der MuM-Akademie gesehen habe, hat er mich nur noch mehr beeindruckt, so viel Energie, Herzlichkeit und Lebensfreude auf einmal, und dieser Mann war sein Leben lang Arzt mit all den Anstrengungen und Höhen und Tiefen, der ganzen Verantwortung! Und nach den vielen überarbeiteten, teilweise schon verbitterten und ergrauten Kollegen seines Alters, die ich im Studium erlebt habe, anscheinend endlich jemand, der in seiner Aufgabe als Arzt aufgegangen ist und immer noch so gut drauf ist. Da wollte ich einfach nur noch wissen, wie er das geschafft hat!“

Felix: „Ich kenne Jochen schon von seinem Menschenbild-Seminar bei der DÄGfA, aber diesmal erscheint er mir noch fröhlicher, enthusiastischer als zuvor.Wir sind also in diesem Raum, eine Gruppe von Menschen aus drei Generationen und Jochen in der Rolle des Großvaters. Er ist ein besonderer Großvater, er ist interessiert, aufgeweckt, wirklich da und hat für all unsere Sorgen und Nöte ein Ohr. Er findet die richtigen Worte um uns zu beruhigen und sogar zu bestärken.“Er sitzt in unserem Kreis und ist froh, bei uns zu sein. Er, der Ehrenpräsident aller möglichen Akupunktur-Gesellschaften, der Superstar der Akupunktur. Doch davon ist nichts zu bemerken, er begegnet uns auf Augenhöhe. Mit der älteste Dozent des Ensembles, aber ein Lachen im Gesicht, als würde er gerade anfangen, die Wunder und Freuden dieser Welt zu entdecken.

Eindrücke vom Workshop…

Flo: „Ich sitze in diesem Seminar und Jochen fängt an zu erzählen, einfach nur zu erzählen, und zuerst frage ich mich, ob das alles ist, keine praktischen Übungen, keine Theorie? Nein, er erzählt einfach nur aus seinem Leben und je mehr ich zuhöre, desto weniger kann ich mich davon lösen. Ich höre ihm drei Stunden gebannt zu, sauge einfach nur jede Erfahrung auf, die dieser beeindruckende Mann aus seinem Leben als Arzt berichtet. Von „Fühlarbeit“, Schrei-Zimmern, vom „heilenden Feld“, der Atmosphäre, in der man seine Patienten behandelt. Von Wachheit, Präsenz und dem inneren, offenen, neugierigen „Hallo“, mit dem man jeden Patienten immer wieder neu entdecken und dankbar sein kann für die Wunder, die man dann findet. Über Vertrauen, in die eigenen Fähigkeiten und den eigenen Körper, seinen inneren Arzt. Doch er spricht auch von den schwierigen Zeiten des Arzt-Seins, dem Druck des Systems, in dem man seine Werte und seine innere Einstellung immer wieder behaupten muss. Die Durststrecke der ersten Lehrjahre im Krankenhaus, in der man immer wieder an seine Grenzen gezwungen wird. Die Unsicherheit, Ängste, Selbstzweifel. Und er scheint damit vielen der Teilnehmer aus dem Herzen zu sprechen, die sich noch vor oder schon auf dieser Durststrecke befinden. Die noch auf der Suche danach sind, wie sie als Ärzte helfen und heilen wollen, und wie sie es schaffen, trotz der Verantwortung und den Herausforderungen selbst glücklich und gesund zu bleiben. Und dann strahlt er wieder und ist dankbar für diesen bereichernden Beruf, der so nah am Leben ist, für all die Erfahrungen, all die Höhen und Tiefen. Und er gibt uns die richtigen Tipps um da durchzukommen: Sei geduldig, wachsam, such dir den richtigen Ort zur richtigen Zeit mit dem richtigen Gefühl, da wo es passt. Schaffe dir Glückinseln aus Menschen, die dich lieben und dich unterstützen, und sei stolz auf deine Aufgabe Arzt zu sein. Und mach dir vor allem bewusst, dass du hier ein Netzwerk aus Ärzten mit Herz gefunden hast und dass du nicht allein bist.Und ich sitze nur da, staune, strahle und bin unendlich dankbar für alles Gesagte. Eigentlich hätte er gar nicht viel sagen müssen, mit seiner Art und seiner Lebensfreude hat er all das ausgestrahlt, was ich als Arzt auch sein will.“Felix: „Jochen erzählt einfach nur, er teilt mit uns seine erlebte Medizin, die von Aha-Effekten, Solidarität, Vertrauen und Neugierde erzählt. Er spricht über so viele Themen, die uns alle beschäftigen, für die im Studium keinen Raum zu geben scheint. So geht es neben Burnout über Konkurrenz und Zeitdruck und die Stimmigkeit. Umso weiter die Zeit voranschreitet, desto näher kommen wir dem Kern des Menschlichen nahe. Wir sprechen über Sicherheit und Scham, von den Ängsten Fehler zu machen. Die Zeit geht vorbei, ich möchte am liebsten nichts vergessen, alle Schätze aus diesem Vortrag mit nach Hause nehmen, Jochen am liebsten als Großvater adoptieren. Eins ist jedoch klar, Jochen wird von nun an in meinem Herzen sein und mich begleiten, egal wo ich bin.“Im Namen aller Teilnehmer danken wir Jochen von Herzen für diese wundervolle Erfahrung!

Dienstag: Susie Wimmer

GAI – Größte Anzunehmende Improvisation

Von Lydia Garnitschnig / Nadja WaschitschekSusie Wimmer, freischaffende Künstlerin, Klinik-Clownin, Schauspiel-Patientin und vieles mehr., teilte mit uns bei ihrem Workshop „GAI – das Leben ist die Größte Anzunehmende Improvisation“ Übungen und Geschichten aus ihrem Erfahrungsschatz. Dabei wählte sie bewusst Themen aus, die im Medizinstudium oft zu kurz kommen. Was fühlt ein/e Patient/in, der/die plötzlich alleine mit seiner/ihrer Hilflosigkeit stehen gelassen wird? Führe ich lieber oder werde ich lieber geführt? Will ich andere mitreißen oder kann ich sie dort abholen, wo sie stehen und stimmig auf sie eingehen? Solche und andere Fragen wurden beispielsweise durch paarweises „blind führen“ aufgeworfen.Durch scheinbar „einfache Spiele“ wurden nicht nur Freude und Kreativität geweckt, sondern vor allem auch die Körperwahrnehmung und der Blick auf das eigene Gruppenverhalten geschärft. Dies begann schon damit, zu beobachten ob man bei der Aufforderung, sich einen Partner für eine Übung zu suchen, eher aktiv oder passiv vorgeht. Beim Erschaffen eines „Fischschwarms“ konnte ausgetestet werden, ob man sich als Anführer der Gruppe oder eher innerhalb dieser, umgeben von anderen „Fischen“ und nach außen geschützt, behaglicher fühlt. Bei anderen Übungen wurde das eigene Improvisationstalent verbal und nonverbal „herausgekitzelt“. Es ging darum, Vertrauen zu sich selbst und anderen zu gewinnen, den Spaß am „Weg“ zu entdecken und einen Zugang zu dem zu finden, was der eigene Körper sowieso schon weiß – weg von der allzu oft kopflastigen Wahrnehmung und Wissensaufnahme, wieder mehr hin zur Intuition.Mit ihrer sanften, lebendigen, freudvoll-neugierigen Art regte Susie dazu an, auch im Alltag öfter den „inneren Clown“ einzuladen und sich zu fragen „What do I notice?“ und „Where is my pleasure?“ – also achtsam hineinzuspüren, was wir erfahren und empfinden. Wann gilt es, auf gelerntes Wissen zurückzugreifen und wann darf man auf Intuition und die Weisheit des Körpers vertrauen? Auch dieser Überlegung konnte man sich bei verschiedenen Übungen nähern. Dabei waren vor allem Begeisterung und Freude die entscheidenden Gefühlszustände, welche – auch aus mittlerweile neurobiologisch nachgewiesener Sicht – für ein gelingendes Lernen maßgeblich sind. Freude ist hierbei die Kraft für das Schöpferische oder wie Susie sagt: „Ich bin viel mehr ich, wenn ich etwas tue, das mir Freude macht.“ Genau dabei können eben diese zwei Fragen („What do I notice?“ und „Where is my pleasure?“) helfen, bei sich selbst anzukommen. Und diese dabei entstehende eigene Präsenz – wörtlich übersetzt das Zugegensein im Hier und Jetzt – in der Begegnung ist bereits der erste Schritt zur Handlung und somit mitentscheidend für eine erfolgreiche Be-Handlung von Patienten. Nur, wenn ich mich selbst UND die anderen (er-)kenne, kann ich auf eine Situation adäquat eingehen, mit ihr umgehen und mit dem Patienten mit-gehen.Gerade als MedizinerInnen müssen wir oft schnell reagieren und Entscheidungen treffen, vergessen dabei aber meist, dass wir wesentlich effektiver arbeiten könnten, wenn wir nur einen kurzen Moment innehalten würden, um durchzuatmen und bewusst wahrzunehmen, statt panisch nach Schemata zu agieren. Wenn wir uns einen Augenblick auf unsere Atmung konzentrieren, die Füße auf dem Boden und die Luft zwischen den Fingern spüren, können wir aus der Starre heraus wieder „in Fluss“ kommen und uns öffnen für das, was im Raum ist – um schließlich ganzheitlicher handlungsfähig zu werden, aber auch (nicht nur unserer eigenen Gesundheit wegen) wieder zur eigenen Freude zu finden. „And there is pleasure in everything! And if there is no pleasure – don’t miss the pleasure of the end!“

„I welcome whatever happens next.“

John Cage

Raum und Essen

Von Maria Han und Anna-Karolina Hägele

Raum

„Ein Raum“ war ein Stichwort, das bei der Frage, was MuM eigentlich ist und sein soll, oft genannt wurde. Ein Raum für Menschlichkeit, für Menschen mit ähnlichen Fragen, Zweifeln und Wünschen wie ich, ein geschützter Raum, ein Raum für Ruhe, Reflexion, für Austausch und Gemeinschaft.Ein ganz konkreter Raum, der uns das alles für eine knappe Woche bot, war das Kloster Benediktbeuern.Zwei große Seminarräume standen zum Essen, für Zusammenkünfte der gesamten Gruppe und die Workshops zur Verfügung. Geschlafen wurde je nach Wunsch im Bettenlager auf der Empore oder in Mehrbettzimmern. Die jahrhundertealten Gemäuer, von dicken Holzbalken durchzogen, sorgten für eine besondere, gemütliche Atmosphäre. Auf der Plattform aus Holzplanken an einem plätschernden Bach direkt vor dem Kloster konnten wir bei Freilichtworkshops den strahlenden Sonnenschein genießen. Das herrliche Wetter lud natürlich dazu ein, das malerische Umland zu erkunden, auf Spaziergängen in den Pausen oder der MuM-Wanderung. Und als hätte uns das Universum einen Wunsch erfüllen wollen, wurde am letzten Tag ein neuer Grillplatz direkt vor dem Haus fertiggestellt – unsere Lagerfeuerstätte für den letzten Abend.

Essen

Eine kleine Kostprobe aus Worten über das Essen auf der Sommerakademie: Der Koch Surdham und seine Freundin und Küchenfee Julia haben uns eine Woche lang verwöhnt und mit ihrem Essen unsere „Leiber und Seelen zusammengehalten“. Beste Zutaten, frisch, mit Freude und viel Inspiration zubereitet – das Ergebnis: Lecker Lecker Lecker. ZB. Kartoffelbrei mit Tofuwürschtel, Mousse au Chocolat aus Soyasahne und Salatdressings, in die man sich hineinlegen möchte, warmes Frühstück aus verschiedenen Getreidesorten und frischen Früchten. Ein Essen, das satt und Spaß macht! Die Küche wurde zu einem der Herzstücke der Akademie.Nach dem offiziellen Ende der Akademie gab es für alle, die noch bleiben konnten, einen Kochkurs mit Surdham, zu siebzehnt in einer Küche, mit Küchenregeln und Lebensregeln, Profitipps und viel Gelächter und einem gemeinsamen, herzhaften Abschieds-Brunch.Danke Surdham für deine Horizont-Erweiterung übers Essen und danke, liebes MuM-Team, dass ihr euch auch so gut um unsere Nahrung kümmert. Wenn man bei diesem Essen ist, was man isst… Dann ist alles gut!